Sebastian Heymann im exklusiven Interview

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Sebastian Heymann im exklusiven Interview

Ich bin sehr dankbar, dass ich die Olympischen Spiele miterleben durfte

Kürzlich hatten Sie zwei Länderspiele, gegen die Schweiz und auch gegen die Türkei, die Sie ganz souverän gewonnen haben. Wie sind Sie mit Ihrer Leistung zufrieden?

Erst einmal freue ich mich für die Mannschaft, dass wir  nach der erfolgreichen Olympiade wieder ein Spiel hatten. Einige Leistungsträger waren nicht mit dabei. Andere Spieler, so wie ich, haben dadurch mehr Verantwortung bekommen. Aus mannschaftlicher Sicht können wir mit zwei Siegen absolut zufrieden sein. Das hat mit Johannes Goller im Mittelblock sehr, sehr gut funktioniert. Wir haben mittlerweile auch einen Kern gefunden, der immer regelmäßiger zusammen ist. Ich glaube, ich habe in der zweiten Halbzeit des Türkeispiels im Angriff auch ein paar Akzente setzen können. Aber in der Abwehr habe ich es mit meinen Nebenleuten nicht wie gewünscht hinbekommen. Deshalb gehe ich ein bisschen mit gemischten Gefühlen aus dem Spiel. Wir haben aus zwei Spielen vier Punkte geholt, sind aktuell Tabellenführer in der EM-Qualifikationsgruppe und das war unser Ziel. 

Wie war das Gefühl, als Sie 2019 in die Nationalmannschaft berufen wurden und das erste Mal den Adler auf der Brust tragen durften?

Das war natürlich Wahnsinn. Das ist so ein Spiel, das  man natürlich nie vergisst. Das sind die Momente, von denen man als Kind geträumt hat. Das erste richtig große Turnier, das ich mit Handball verbinden kann, war die Heim-WM 2007. Und dann hat man sich schon erträumt, dass man da irgendwann stehen kann. Aber dass ich das dann wirklich auch geschafft habe, hätte ich nie für möglich gehalten. Heilbronn-Horkheim ist nicht die größte Ortschaft ...

... und nicht die Handball-Hochburg ...

... ja genau. Der Drittliga-Handball, den man im Laufe der Jahre ein bisschen verfolgt hat, war das Maximale. Das habe ich jeden zweiten Samstag gesehen. Und da habe ich mir irgendwann gesagt: Da möchte ich mitspielen! Ich war dann in Auswahlmannschaften, hatte Spaß mit den Freunden und alle hatten Bock, Gas zu geben. Und so habe ich immer in der höchsten Liga und immer vorne mitgespielt, habe gesehen, da kann was gehen. Dann kam die Einladung zur DHB-Sichtung und ich war natürlich schon wahnsinnig stolz. Ab dem Moment, als ich das erste Mal bei der Jugendnationalmannschaft eingeladen war, wusste ich, dass ich in meiner Altersklasse zu den Besten in ganz Deutschland gehöre. Das erste A-Länderspiel war Gänsehaut pur: Ich hatte zittrige Hände, bin super nervös gewesen, bevor ich aufs Spielfeld gekommen bin. Zwei Minuten lang habe ich versucht, meine Hände zu trocknen, was nicht funktioniert hat. Das war schon ein wahnsinniges Gefühl und ein gewisser Stolz, dass sich alles, was man an Blut, Schweiß und Tränen in den Jahren investiert hat, ausgezahlt hat, dass es belohnt wurde, dass ich mein Land vertreten darf, zusammen mit den besten Spielern. Und auch später, in den schweren Zeiten, war dieses erste Länderspiel – Hymne singen, Adler auf der Brust – etwas, das mich immer wieder angetrieben hat, den Kopf hochzunehmen, weiterzumachen, nach vorne zu schauen, egal wie schwer es ist.

2024 war mit dem vierten Platz bei der Europameisterschaft und mit der Silbermedaille bei der Olympiade sehr erfolgreich. Was macht eine Olympiade zu etwas ganz Besonderem?

Die Europameisterschaft war schon sehr speziell, es war schon was ganz Besonderes. Sie war mein erstes großes Turnier im eigenen Land. Dabei konnte ich erleben, wie handballverrückt Deutschland ist. Bei Olympia ist es einmalig, dass so viele Weltklasse-Athleten und Athletinnen zur selben Zeit an einem Ort sind. Dieses olympische Flair wahrzunehmen, dieses Miteinander – man unterstützt die anderen Sportler, Sportlerinnen von derselben Nation, man tauscht sich aus – das war natürlich schon etwas ganz Besonderes. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das miterleben durfte.

Wie sind Sie zum Handball gekommen? 

Meine Eltern waren häufig in der Halle in Horkheim und schauten beim Handball zu. Gefühlt bin ich eigentlich fast in der Halle auf die Welt gekommen, wenn man es so sagen kann. Eine gute Freundin meiner Eltern hat den Mini-Handball in Horkheim geleitet und gesagt, sie sollen mich einfach mal vorbeibringen. Ich war zu dem Zeitpunkt eigentlich noch einen Tick zu jung. Ich bin hingegangen und es hat einfach viel Spaß gemacht. Durch Handball habe ich viele Leute kennengelernt. Wir waren dann zusammen im Kindergarten, wir waren in derselben Grundschule, dann zusammen auf dem Justinus-Kerner-Gymnasium. Wir haben zusammen Handball gespielt, alle hatten Bock und alle waren ehrgeizig. Dazu kommt, dass Handball einfach eine wahnsinnig geile Sportart ist: extrem schnell, extrem athletisch, hart und immer was geboten. Und dieses Ganze in der Summe hat mich wirklich begeistert. Am Ende glaube ich, dass die enge Connection mit den Freunden den Ausschlag gegeben hat, wieso ich ewig beim Handball geblieben bin. Die ganzen Freundschaften bestehen auch noch heute, man trifft sich immer mal wieder. Da kann ich dann einfach ich selbst sein und werde nicht nur als Handballer wahrgenommen. Die Freunde vermitteln mir das Gefühl, dass ich mich einfach fallen lassen und wohlfühlen kann.

Sie haben dann relativ schnell Karriere gemacht. 2016 haben Sie Ihren ersten Profi-Vertrag abgeschlossen und sind zu Frisch Auf Göppingen gegangen. Seit dieser Saison spielen Sie in Mannheim bei den Rhein-Neckar Löwen. Warum haben Sie gewechselt?

Schon nach der U16-EM hätte ich einen Profi-Vertrag bekommen können. Aber zu dem Zeitpunkt stand für mich noch meine schulische Ausbildung an erster Stelle. Nach dem Abitur habe ich den Vertrag dann unterschrieben. Ich habe bei Frisch Auf angefangen, mehr Krafttraining zu machen, was mich natürlich auch körperlich einen Schritt weiter gebracht hat. Es war ein Traum zu wissen, ich habe es jetzt geschafft. Man spielt in der stärksten Liga der Welt. Man misst sich mit den besten Spielern der Welt. Dann kamen die Verletzungen. Das war für mich in Summe einfach ein bisschen zu viel. Ich hatte eine wunderschöne Zeit in Göppingen. Ich habe mich sehr wohl gefühlt, wurde aber immer wieder auf die Verletzungen angesprochen und die negativen Sachen kamen immer wieder hoch. Das war dann für mich auch ein Grund zu sagen, ich war jetzt acht Jahre hier, ich fühle mich super wohl und habe mich nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch wahnsinnig entwickelt. Ich wollte für mich einfach einen Neuanfang wagen, etwas Neues ausprobieren, mich in einem neuen Umfeld neu beweisen. Das kann natürlich auch noch mal in der Entwicklung helfen, als Mensch, aber auch als Sportler, besser zu werden. Trotzdem wollte ich nicht zu weit weg, weil ich in den schweren Phasen gemerkt habe, wie wichtig die Freunde und die Familie sind, die einem wirklich extrem viel Halt und Sicherheit geben und immer für einen da sind. 

Sie hatten einige Verletzungen, 2017/2018 einen Mittelfußbruch, dann 2019 und 2022 zwei schwere Knieverletzungen. Sie sind jedes Mal wieder zurückgekommen. Braucht man da einen besonders starken Willen, dass man das schafft? 

Der erste Kreuzbandriss war sehr hart. Gerade mental war das Wahnsinn, weil da der Traum von der Nationalmannschaft, vom Profi-Handballer, in dem Moment einfach zerbrochen ist. Früher hat man gesagt, ein Kreuzbandriss bedeutet das Karriereende. Ich habe von der Professionalität der Ärzte profitiert. Ich habe elfeinhalb Monate gebraucht, bis ich mich wieder gut gefühlt habe. Den Körper wirklich noch einmal mehr zu fordern in der Reha, weil man weiß, man hat dieses Ziel, mit der Nationalmannschaft einzulaufen, die Hymne zu singen, den Adler auf der Brust zu tragen. Das war ein Bild, das mich wirklich immer wieder angetrieben hat, morgens aufzustehen, jeden Tag sieben, acht Stunden in der Reha zu investieren, zu schwitzen. Ich habe mit anderen Sportlern gesprochen, die ein ähnliches Schicksal hatten. Das hat mir extrem viel Kraft gegeben, zu wissen, andere Leute haben es geschafft, dann schaffst du das auch. Ich habe nie aufgegeben, sondern habe immer weiter gemacht, immer weiter Gas gegeben. Und gerade jetzt durch Olympia habe ich noch mal extrem viel Selbstvertrauen getankt und bin jetzt wieder auf einem richtig guten Weg.

Sie haben parallel zu Ihren ganzen sportlichen Aktivitäten eine Ausbildung zum Finanz- und Vermögensberater aufgenommen. Warum haben Sie gerade diesen Beruf gewählt? 

Nach meinen Verletzungen brauchte ich einen Plan B – man muss auch das Leben nach der Sportkarriere vorbereiten. Versicherungen haben mich interessiert. Auch wollte ich vom Handball wegkommen, ein bisschen abschalten, mich weiterbilden, den Kopf in etwas anderes stecken. Das hat auch geholfen in den Phasen, in denen ich verletzt war, um dann einfach an etwas anderes zu denken. 

Wie ist Ihre Beziehung zu VR-Bank?

Ich bin Kunde bei der VR Bank, ich fühle mich sehr wohl dort – gerade weil ich ja wirklich sehr in der Heimat verwurzelt bin.

Was sind Ihre weiteren sportlichen Ziele? Worauf
arbeiten Sie hin?

Das größte Ziel, das ich natürlich habe, ist, gesund zu bleiben. Das ist, glaube ich, das, was ich am meisten wertschätze. Ansonsten habe ich noch keine WM gespielt, das ist jetzt natürlich ein kurzfristiges Ziel, bei der WM im Januar 2025 mit dabei zu sein. Ich bin aktuell gerade einfach froh, dass ich gesund bin, dass ich den Handball genießen kann, dass ich wieder Spaß habe. Privat möchte ich irgendwann einmal eine Familie gründen. Man weiß natürlich nie, was in den nächsten Jahren passiert, aber Stand jetzt, sehe ich mich nach der Handballkarriere wieder in der Heimat.

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