Luca-Sandro Trefz steigt aus seinem neongelben AMG-Mercedes GT3. Während der ersten Trainingsstunde auf der Rennstrecke hat er sich mit dem Kurs vertraut gemacht und optimiert nun gemeinsam mit den Ingenieuren das Fahrzeug.
Der 22-Jährige aus Wüstenrot ist im Rennsport angekommen, doch der Weg dorthin war nicht einfach und verlief nicht immer geradlinig: Schon als Kind kam er mit dem Motorsport in Berührung – sein Vater fuhr selbst Rennen, und das Thema war allgegenwärtig. Wenn der Fernseher lief, sah man Autos, Rennen und „alles, was mit Motorsport zu tun hat“. Doch trotz aller Begeisterung saß er erst spät in einem Rennwagen. Mit elf Jahren drehte Luca-Sandro Trefz seine ersten Runden im Kart und war Feuer und Flamme. Zunächst musste die Familie das Material selbst finanzieren, doch der talentierte Junge steigerte sich und fuhr von Klasse zu Klasse. Während die 9-PS-Karts Spitzengeschwindigkeiten von 60 Stundenkilometern erreichen, schaffen die 35-PS-Karts rund 140 Stundenkilometer. 2016 gewann er die Süddeutsche Meisterschaft und nahm an der Deutschen Meisterschaft teil. Ein Jahr später war er bereits europaweit unterwegs und fuhr neben Rennen in Deutschland auch in Frankreich, Belgien, Italien und Großbritannien. In Le Mans trat er 2018 gegen 170 Fahrer aus aller Welt an und belegte als bester Deutscher den 17. Platz: „Das war ein echter Erfolg für mich.“ Inzwischen sind erste Sponsoren auf ihn aufmerksam geworden, die Technik kann finanziert werden – die Reisekosten trägt weiterhin die Familie selbst.
Mit 16 Jahren wechselte Luca-Sandro Trefz das Fahrzeug: Nach den kleinen Karts gelang ihm der Aufstieg in die GT4-Klasse. „Für die Lizenz brauchte ich ein ärztliches Attest, dass ich körperlich und geistig in der Lage bin, einen schnellen Rennwagen zu beherrschen.“ Beim Team Leipert Motorsport saß er zum ersten Mal hinter dem Steuer eines Mercedes-AMG GT4 (4,0 Liter Hubraum, 375 ilowatt bzw. 475 PS Leistung) und drehte in der ADAC GT4 Rennserie seine Runden. „Das war eine gute Saison“, blickt der Wüstenroter zurück. „Wir hatten ein bombastisches Auto, wahrscheinlich das Beste im Feld.“ Obwohl die Saison mit dem Europameistertitel, dem vierten Platz in der Gesamtwertung und dem zweiten Platz in der Rookie-Wertung für Neueinsteiger sehr erfolgreich verlief, war er nicht ganz zufrieden: „Ich habe zu viele Fehler gemacht und zu viele Strafen bekommen“, erinnert er sich. Im Jahr darauf wechselte er zum Team Mann-Filter HTP-WinWard und belegte mit dem Porsche 718 GT4 (4,0 Liter Hubraum, 368 Kilowatt bzw. 500 PS Leistung) beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring den dritten Platz – nachdem er zunächst in Führung gelegen hatte. Dann kam Corona und die Saison wurde abgebrochen.
Die Vorbereitung auf eine Wettfahrt erfordert viel Erfahrung: Luca-Sandro Trefz musste erst einmal lernen, ein Rennen zu lesen. Wie ist der Streckenverlauf? Wo liegen die Stärken der Konkurrenz? Daraus wird im Team die Strategie entwickelt, wie ein Rennen angegangen wird – eher zurückhaltend oder aggressiv. Da sich zwei Fahrer ein Auto teilen, ist die Absprache im Team wichtig. Jeder fährt die Hälfte der Rennrunden. Dazu kommen viele Trainingsstunden im Simulator, da die Zeiten auf der Strecke sehr begrenzt sind. Aber auch die körperliche Fitness darf nicht zu kurz kommen: Neben der Rennstrecke verbringt der 22-Jährige viele Stunden im Kraftraum.
An einem normalen Rennwochenende reist der Tross am Mittwoch an. Am Donnerstag stehen die ersten Trainingsläufe auf der Strecke selbst an. Dreimal je eine Stunde hat Luca-Sandro Trefz Zeit, die Strecke kennenzulernen und das Auto zusammen mit den Technikern optimal auf den Kurs abzustimmen: Dämpfung und Aerodynamik des Autos müssen an die Besonderheiten angepasst werden. Am Freitag stehen zwei weitere Trainingseinheiten auf dem Programm. Am Samstag und Sonntag finden dann die eigentlichen Rennen statt. Die beiden Fahrer des Teams teilen sich die Aufgaben: Jeder darf einmal das Qualifying fahren und einmal starten. Pro Fahrzeug steht ein Satz neuer Reifen zur Verfügung.
Nach der schwierigen Corona-Zeit, in der sich Sponsoren teilweise zurückzogen und alles teurer wurde, fasste der 22-Jährige schnell wieder Fuß: Er stieg in die GT3-Klasse auf. Mit den leistungsstärkeren Fahrzeugen wechselte er auch Team und Arbeitsgerät: Er übernahm das Steuer eines Audi R8 LMS GT3. Das Auto hat nicht nur einen deutlich stärkeren Motor (5,2 Liter Hubraum, 430 Kilowatt bzw. rund 700 PS Leistung), sondern kann, dank verbesserter Aerodynamik, auch höhere Geschwindigkeiten auf der Strecke und in den Kurven erreichen. Für Luca-Sandro Trefz war diese Klasse eine Herausforderung, denn er musste gegen langjährige Profis antreten, die als Werksfahrer die Fahrzeuge in- und auswendig kannten. Zwar fuhr er einige Top-Ten-Platzierungen ein, blieb aber hinter seinen eigenen Erwartungen zurück: „In der GT4-Klasse bin ich vorne mitgefahren“, resümiert er, „in der GT3-Klasse konnte ich nicht sofort Fuß fassen“. Hinzu kam, dass er mit dem Audi nicht wie gewünscht zurechtkam. Das Fahrwerk passte nicht zum Fahrstil des Wüstenroters, der anschließend wieder auf den vertrauten Mercedes-AMG umstieg. Mit diesem Typ nahm er 2022 erstmals am berüchtigten Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings teil. Hier erlebte er durch einen Unfall seinen ersten Rückschlag: „Man muss sich schnell wieder motivieren, zurück ins Auto steigen und in Zukunft vermeiden, den gleichen Fehler noch einmal zu machen“, hat er gelernt, allerdings:. „Für Vorsicht ist kein Platz.“ Und so arbeitet er weiter auf den Sieg beim Langstreckenrennen hin: „Die 24 Stunden auf dieser langen Strecke sind eine der größten Herausforderungen“. Die über 25 Kilometer gelten als äußerst anspruchsvoll für Fahrer und Material. 190 eams treten in verschiedenen Klassen gegeneinander an.
Luca-Sandro Trefz wird seit 2019 von Bernd Schneider gemanagt. „Wir haben uns bei einem Testevent kennengelernt und auf Anhieb gut verstanden.“ Der DTM-Rekordchampion gibt ihm Tipps für die Rennen, vermittelt die richtigen Kontakte und handelt die Verträge aus: „Nur die besten fünf Prozent können mit den Rennen Geld verdienen“, weiß der Wüstenroter. Für die Zukunft wünscht er sich mehr Fahrpraxis und weitere Renneinsätze. Sein Plan ist es, Werksfahrer in einem renommierten Team und damit Renn-Profi zu werden. 2025 will er dieses Ziel erreicht haben. Bis dahin wird er bei den Rennen von AMG unterstützt, muss aber noch einen Großteil der Reisekosten selbst tragen. Parallel betreut er als Inspektor bei AMG Kunden, dreht mit ihnen ein paar Runden und gibt seine Erfahrungen weiter: „Das lernt man nicht in der Schule, sondern nur auf der Rennstrecke.“
Zur VR Bank hat Luca-Sandro Trefz eine ganz besondere Beziehung: 2016 begann er dort seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Dann kam die Chance, in der GT4-Klasse zu starten, und er entschied sich für den Vollzeitjob als Rennfahrer. „Ich hatte bei der Bank ein tolles Team kennengelernt, in dem ich mich sehr wohlgefühlt habe.“ Doch beides ging nicht. Also tauschte er ein gutes Team gegen ein anderes: Er ist überzeugt, dass man nur gemeinsam erfolgreich sein kann. „Im Vorfeld eines Rennens muss viel vorbereitet werden“, betont er. „Erst wenn die Tür des Wagens zu ist, kommt es auf mich an.“ Denn auf der Strecke entscheidet sich, wie das Rennen läuft.